Warum Dehnung so wichtig ist


Insgesamt 20-25 Minuten nach dem Satteln ist Ihr Pferd „auf Betriebstemperatur“. Die Arbeitsphase löst die Aufwärmarbeit ab. Wenn Sie Ihrem Pferd nun auch noch die Dehnung zu Gute kommen lassen möchten, dann steigen Sie noch einmal ab, nehmen das eine Vorderbein, es darf ruhig etwas gebeugt sein, und ziehen es nach vorn heraus, etwa in kleinem Halbkreis Richtung Nüstern, somit dehnen Sie die Schultermuskulatur und den vorderen Teil der Sattellage. Achten Sie dabei auf eine möglichst tiefe Kopfhaltung. Nehmen Sie das Bein erneut auf, wie beim Auskratzen der Hufe, und ziehen es am Unterarm (über dem Vorderfußwurzelgelenk) schweifwärts weiter Richtung gleichseitiges Hinterbein, so dehnen Sie den vorderen Teil der Schulter und den „Vorderbeinvorführer“. Natürlich beidseits, jeweils etwa 15 Sekunden halten, ohne wippen, danach langsam wieder in die Ausgangsposition. Nun das Ganze mit den Hinterbeinen. Bein aufheben wie beim Auskratzen und nach vorn unter den Bauch, zum Schwerpunkt des Reiters ziehen. Nach hinten bitte langsam und vorsichtig, da auch Pferde über einen Muskeleigenreflex verfügen, der sie auskeilen läßt, wenn der Muskel über dem Knie zu stark gedehnt wird. Das ist keine böse Absicht, sondern ein Schutzreflex des Muskels vor Überdehnung. Für die Seitwärtsgänge dehnen Sie alle Beine über Kreuz und nach schräg außen. Da besonders die Nach-Außen-Dehnung vorsichtig ausgeführt werden muss, erklärt sich bestimmt der Therapeut Ihres Vertrauens bereit, Ihnen eine kleine Unterweisung zu geben.

 

Zu den Beinen kommt im Allgemeinen auch der Hals in enger und weiter Biegung. Die Enge erreichen Sie mit einem Stück Möhre. Ihr Pferd kann es sich am vorderen Sattelblatt abholen. Machen Sie es nicht zu leicht, die Dehnung soll schließlich etwas gehalten werden. Bei der weiten Dehnung dürfen sich die Pferde die Möhre am Hüfthöcker abholen. Positiver Nebeneffekt: auch die Muskulatur beidseits der Brustwirbelsäule gelangt in den Genuß einer Dehnung. 

Doch warum dehnt man eigentlich?

Muskeln besitzen beidseits sehnige Enden, die ihrerseits die Verbindung zu dem zu bewegenden Knochen herstellen. Vorgedehnte Muskeln können sich mit mehr Kraft zusammenziehen, arbeiten also effektiver und kraftvoller. Sehnen haben in ungedehntem Zustand zwischen den Fasern Wasserteilchen eingelagert, diese bilden den Angriffspunkt für Rupturen (Risse) und Zerrungen. Werden diese Wasserteilchen durch die Dehnung aus den faserigen Anteilen herausgedrückt, können größere Kräfte wirken ohne, dass Schaden genommen wird, da die Sehnenfasern enger an einander liegen. 

Lassen Sie sich Zeit beim Erwärmen. Ihr Pferd wird es Ihnen mit zufriedenem Abschnauben und gelöster Mitarbeit danken. Und bald werden Sie die individuelle optimale Aufwärmzeit für Ihr Pferd gefunden haben. 

Gehen Sie nicht nach dem Schweißbild!

Es zeigt nicht den Erwärmungsgrad an. Muskuläre Ungleichgewichte und Überbeanspruchung mancher Muskelpartien können dies auslösen. Es können auch Faktoren wie: Tagesstimmung, Nervosität, Turnieratmosphäre, fremde Reiter, Pferde, Hunde usw. und zu wenig Ruhezeit nach dem Fressen dazu führen. 

Zu letzterem ist noch zu sagen: lassen Sie Ihrem Pferd 60, besser 90 Minuten nach dem Füttern Ruhe und streß- und reitfreie Zeit. Wer möchte schon mit vollem Magen Riesensprünge, schwere Dressurlektionen oder wilde Galoppaden im Gelände machen. Ein voller Magen drückt auf das Zwerchfell, welches die Atmung beeinträchtigt. Und zu wenig Luft verursacht leichte Panik, Schweißausbrüche sind die Folge. Ein voller Magen-Darmtrakt benötigt viel Blut zum Verstoffwechseln der neu ankommenden Nährstoffe – deshalb fehlt das Blut an anderer Stelle. Und zwar in den Muskeln, in denen, die beim Reiten, Springen und Tragen vom Reiter so dringend benötigt werden. Es kommt nicht von ungefähr: ein voller Bauch studiert nicht gern. 

Nach der Arbeitsphase, die je nach Alter des Pferdes gesteigert werden kann, kommt die Abkühlungsphase. Lockern Sie den Sattelgurt um zwei Löcher. Mit noch einigen Runden vorwärts/abwärts kann sich Ihr Pferd bequem an den Zügel heran dehnen und durchatmen. Achten Sie dabei nicht auf ein Tempoplus bei der aktivierenden Hilfe für die Hinterhand, sondern auf das aktive Hinterbein. Denn ist Ihr Pferd vorn tief und hinten aktiv ist die Dehnung der Oberlinie nahezu perfekt, da sowohl die vorderen als auch die hinteren Teile der Wirbelsäule in den Zwischenwirbelbereichen geöffnet, also gedehnt sind. Das Pferd soll rund wie ein Flitzebogen gehen.


Wie erwärmt man sein Pferd sinnvoll?


Wie oft komme ich zu neuen Kunden, die mir ihre Pferde auch unter dem Sattel vorstellen müssen, denen ich zu Beginn sage, sie sollten alles so wie immer machen. Und sofort nach dem Satteln aufsteigen, nach zwei Runden im Schritt nachgurten und antraben. Auf meine Frage hin, ob sie heut genau so geritten sind, wie sonst auch, erhalte ich meistens die erschreckende Antwort: „Ja!“. 

Hat ein Trainer seine Fußballer je ohne Warmup aufs Spielfeld geschickt? Haben Sie einen Sprinter die 100m-Weltrekord ohne Dehnung laufen sehen? Nein?! Ich auch nicht, weil das nicht geht. 

Und das hat auch seinen Grund. Muskeln sind nicht sofort warm und elastisch und können nicht das sofortige Maximum an Anforderung, was sie bei der Arbeit leisten müssen, in einem „Kaltstart“ erbringen. Gerade im Winter ist dies eine kaum lösbare Aufgabe für das Pferd. 

Als Faustregel gilt: je höher die Anforderung, desto länger die Aufwärm- und Lösungsphase. 

Und je älter das Pferd, desto länger die Erwärmung. Gelenke müssen erst geschmeidig gemacht werden, indem der Stoffwechsel zur „Schmierenbildung“ angeregt wird. Genau so ist es bei den Muskeln, Bändern und Sehnen. Nur durch entsprechende Erwärmung wird dies gewährleistet. 


Doch wie erwärmt man sein Pferd sinnvoll?


In einigen Ställen ist es gang und gäbe, die bereits gesattelten Pferde unter das Solarium zu stellen – lieb gemeint, aber völlig unnütz, da die Wärme nur oberflächlich wirkt und auch nur dort eine Mehrdurchblutung hervorruft. Die Muskeln in der Tiefe allerdings sind davon nicht betroffen.

 


Also gleich rauf aufs Pferd?

Ja und nein. Es ist nun einmal so, dass Pferderücken eigentlich nicht zum Tragen von Lasten geschaffen sind. Dennoch ist es möglich, sie vor dem Aufsteigen auf das Reitergewicht vorzubereiten. Führen Sie Ihr Pferd 5 Minuten auf jeder Hand im Bummelschritt, machen Sie am Ende dieser Zeit auf jeder Hand 3-5 Volten. Mit dieser einfachen Übung erwärmen Sie sich selbst ein wenig, und -was noch wichtiger ist- die Mobilität der Pferdewirbelsäule und der Zwischenwirbelgelenke wird erhöht. Die Beugung und Drehung der Wirbelsäule wird ohne störendes Reitergewicht mobilisiert und die Tragemuskulatur (rechts und links der Wirbelsäule), Bänder und Sehnen werden gedehnt und „aufgeweckt“.

 

Steigen Sie nun von einer Erhöhung (Aufsteighilfe) auf, denn wenn Sie sich von der linken Seite an Ihrem Pferd hochziehen, wirken punktuell auf der rechten Seite des Widerristes bis zu 400kg... welche Lasten und Gewichtsklassen das sind! 

Gönnen Sie Ihrem Pferd auch mit Ihrem Gewicht im Sattel noch 5-10 Minuten Schritt auf jeder Hand. Reiten Sie große Wendungen und Bögen, somit haben Sie die Viertelstunde Schritt gut genutzt, können nachgurten und los geht’s mit langsamer und lockerer Trabarbeit.

 


Warum langsam?


Kalte Pferde haben sehr oft Taktfehler, wenn sie zu schnell gefordert werden und losrennen. Das können Sie vermeiden, indem Sie ein paar Runden locker und langsam Zirkel und Bögen mit langen Zügeln reiten. Je mehr gebogene Linien, desto besser die seitliche Biegung und Erwärmung, da sich die Muskeln auf der Innenseite einer gebogenen Linie zusammenziehen und die auf der äußeren Seite dehnen müssen. Je öfter sich dieses Spiel abwechselt (Hand- u. Figurenwechsel), desto schneller werden die Muskeln warm. Natürlich können sich auch kleine Galoppaden mit einbauen lassen.